Bundespressekonferenz gegen Journalist: "Das ist Realsatire vom Allerfeinsten"
Presseverein will Vertreter von Alternativmedium Zugang verwehren. Rechtsstreit wirft Fragen auf – und geht in zweite Instanz. Nun spricht der Rechtsanwalt des Journalisten.
Herr Kompa, wir haben bei Telepolis schon darüber berichtet, dass die Bundespressekonferenz, ein privater Verein, Ihrem Mandanten Florian Warweg als Korrespondenten des Online-Mediums Nachdenkseiten den Zugang zu den Pressekonferenzen verwehren wollte. Sie haben als Rechtsanwalt von Herrn Warweg dagegen in erster Instanz vor dem Landgericht rundum gesiegt. Ist damit belegt, darum geht es im Kern, dass Warweg Journalist ist?
Markus Kompa: Zunächst müssten wir den Begriff "Journalist" nach dem Verständnis des Jahres 2023 definieren: Person, die Tweets, PR-Texte und Agenturmeldungen zu Nachrichten umschreibt und nunmehr gegen KI konkurriert.
Herr Warweg ist insoweit überqualifiziert, als er Magister der Politikwissenschaft und der Wirtschaftsgeographie ist, für Bundestagsabgeordnete wie Hans-Christian Ströbele gearbeitet hatte und eigenständig recherchiert. Niemand mag überlegene Konkurrenz, erst recht nicht eine eitle Berufsgruppe wie Journalisten.
Die Einordnung von Warweg als Journalist war im Prozess aber nicht streitig, sondern die Frage, ob er überwiegend über Bundespolitik für ein professionelles Medium schreibe. Dazu hat die BPK aber unschlüssig vorgetragen.
Die Einwände gegen eine Aufnahme von Herrn Warweg in die Bundespressekonferenz seien insbesondere mit seiner vorherigen Tätigkeit des Klägers für RT DE begründet worden und seine aktivische Art der Berichterstattung, resümierte das Berliner Landgericht.
Markus Kompa: Eigentlich nicht, das war vielmehr der unsichtbare Elefant im Raum. Die im Prozess vorgeschobenen "Vorwürfe" erwiesen sich als konstruiert und unwahr. Die Bundespressekonferenz hat dann auch keine einzige der angeblichen Beschwerden vorgelegt. Ein vorgeblicher Regelverstoß, das Posieren mit einer "Free Assange"-Maske im Konferenzraum der BPK, lag schon Jahre zurück, ereignete sich vor Beginn der damaligen Sitzung und war niemandem aufgefallen.
Soweit man Warweg vorwarf, den dpa-Korrespondenten als "Kanzlerkorrespondenten" zu verspotten, hatte Warweg keineswegs gespottet, sondern die von der dpa selbst benutzte Bezeichnung zitiert. Diesen Fauxpas darf man dem BPK-Vorstand aber nicht übel nehmen: Journalisten, die Regierungsmeldungen apportieren, sind nun einmal in Recherche ungeübt.
Wie bewerten Sie das Vorgehen des Vereins "Bundespressekonferenz", der das erstinstanzliche Urteil ja offenbar in letzter Minute angefochten hat?
Markus Kompa: Der Verein Bundespressekonferenz e.V. war früher mal eine ehrenwerte Einrichtung, die es allen professionellen Medienvertretern ermöglichte, gleichzeitig und fair an Regierungsinformationen aus erster Hand zu gelangen, ohne sich solche etwa durch Hofberichterstattung erkaufen zu müssen. Der Verein setzte sich auch aktiv für Pressefreiheit ein, etwa als vor zwanzig Jahren Bundestagspräsident Wolfgang Thierse Boulevardjournalisten wegen einer albernen Koks-Reportage Hausverbot erteilte.
Die verleihen jährlich sogar einen Preis für Pressefreiheit. Der ging 2015 an jemanden mit der Begründung "Weil er nachfragt, nachbohrt, den Dingen auf den Grund geht" – also genau das, was man dann bei Herrn Warweg als verwerflich hinstellte. Inzwischen wird der Preis aber auch für Infotainment vergeben wie etwa 2020 an den Corona-Podcast des NDR, der mit Pressefreiheit keine Berührungspunkte aufweist.
Aber zurück zur Frage: Weil die BPK in der Berufungsinstanz mit Vortrag zum Verhalten und Berichten des Herrn Warweg ausgeschlossen ist, werden wir am Kammergericht nur noch über die Reichweite der Pressefreiheit streiten. Ein Verein, der zum Zwecke der Pressefreiheit gegründet wurde und nun gegen die Pressefreiheit argumentiert, handelt sich ein Glaubwürdigkeitsproblem ein.
Der Rechtsstreit von Herrn Warweg gegen den Verein Bundespressekonferenz hat viel mit der Auseinandersetzung mit sogenannten alternativen Medien zu tun.
Markus Kompa: In der Tat. Man warf Warweg u.a. Medienkritik vor, denn kritisiert werden dürfen anscheinend nicht die etablierten, sondern nur die alternativen Medien. Das jedoch professionell: Der in der Rolle eines als vermeintlichen Journalisten posierende Zersetzungsagent Matthias Meisner, der vom regierungsfinanzierten Denkpanzer "Zentrum liberale Moderne" für Diskriminieren alternativer Medien bezahlt wurde, schwärzte Herrn Warweg beim BPK e.V. an und berichtete über seine vorbildliche Denunziation in der taz. Ob es tatsächlich weitere Denunzianten gab, ist unbewiesen.
Über Herrn Meisner und die finanziellen Interessen hat Telepolis auch schon berichtet. Inzwischen hat er in der Zeitschrift Journalist en passant bekanntgegeben, seine Tätigkeit für ein vom Staat zumindest mitfinanzierten Projekt eingestellt zu haben.
Markus Kompa: Dennoch bleiben Fragen offen. Der Deutsche Presserat sah jüngst übrigens kein Problem darin, dass taz, Tagesspiegel und Spiegel bezahlte regierungsnahe Propaganda von Herrn Meisner als vermeintlichen Journalismus abdruckten, ohne auf Meisners Interessenkonflikt hinzuweisen. Beschwerden wegen Ziffer 6 Pressekodex scheiterten knapp, obwohl in einem Fall sogar die Mehrheit des Ausschusses des Presserats einen Verstoß sah. Aber wenn Journalisten inzwischen beim Agitieren gegen alternative Medien sogar mit dem Verfassungsschutz offen konspirieren, legt man offenbar auf Glaubwürdigkeit und Staatsferne ohnehin keinen großen Wert mehr.
Aber es war ja nicht nur ein persönlicher Konflikt, der hinter der zunächst gescheiterten Aussperrung von Herrn Warweg stand, sondern es ging um konkrete politische Themen wie die Berichterstattung zur Ukraine. Das Berliner Landgericht stellte dazu fest:
Eine Vielzahl der Titel weisen darauf hin, dass sie sich mit dem Krieg in der Ukraine und der Reaktion der Bundesregierung bzw. der Europäischen Union bzw. den USA hierauf beschäftigen. Dieser Krieg ist jedenfalls ein die Außenpolitik beherrschendes Thema der Bundespolitik und hat darüber hinaus auch erhebliche Auswirkungen auf die innerdeutsche Politik. Sei es im Hinblick auf die Wirkungen der verhängten Sanktionen für die betroffenen Unternehmen oder für die deutsche Bevölkerung. Ferner werden weitere Themen behandelt, wie etwa das Verhältnis der Regierungsparteien zueinander und zu anderen Politikern. Die Lektüre der entsprechenden Artikel zeigt darüber hinaus, dass die angesprochenen Themen durchaus auch inhaltlich behandelt werden, jedenfalls aus der Sicht des sie verfassenden Klägers. Der Beklagte hat demgegenüber nicht substantiiert dargestellt, dass bei einer derartigen Anzahl von Artikeln innerhalb einer recht kurzen Zeit, gleichwohl nicht die satzungsgemäß geforderte überwiegende Berichterstattung zu bundespolitischen Themen vorliegt.
Markus Kompa: Machen wir uns nichts vor: Medien haben in Zeiten des Kriegs eine dienende Funktion, die schon Arthur Ponsonby 1928 hinlänglich beschrieben hat. Falls irgendjemand Zweifel daran haben sollte, wo der Feind steht und wer Kritiklosigkeit beanspruchen darf, muss nur die aktuellen Farben des Logos des Deutschen Journalistenverbands in sozialen Medien ansehen. Früher machte man Propaganda unterschwelliger.
Das darf man den Presseleuten aber nicht persönlich verübeln. Die Arbeitsplätze in den ausgedünnten Redaktionen der Papierverkäufer und die Fleischtöpfe bei den öffentlich-rechtlichen sind zu rar gesät, als dass professionelle Journalisten in die Hand beißen, die sie füttert. Zu den Ernährern gehört bekanntlich ja auch die Bundesregierung, die Journalisten mit üppig vergüteten Moderationsaufträgen usw. unter die Arme greift und freundlichen Medienvertretern Exklusivinterviews gibt. Da heult man halt mit den Wölfen.
Trotzdem finde ich es extrem unsportlich, Kollegen zu sabotieren, die das regierungsgewünschte Narrativ nicht teilen. Vor dem Hintergrund, dass wir in Deutschland mal eine sogenannte "Gleichschaltung" der Medien durch Schriftleiter hatten sowie dann die staatstragende "Aktuelle Kamera" hätte man sich von der BPK etwas mehr Sensibilität wünschen dürfen.
Das Konzept des Bundesverfassungsgerichts war Pluralität von Meinungen, aus denen sich dann jeder seine eigene Überzeugung bilden soll. Nachdem Gatekeeping in Zeiten des Internets nicht mehr funktioniert, wird der Kampf um die Deutungshoheit mit anderen Methoden ausgetragen.
Dennoch: Wieso darf ein privater Verein wie die Bundespressekonferenz nicht über seine Mitglieder entscheiden?
Markus Kompa: Doch, darf er. Grundsätzlich dürfen Vereine selbst und sogar willkürlich entscheiden, wen sie als Mitglied aufnehmen. Das folgt aus der Vereinigungsfreiheit, die in Art. 9 des Grundgesetzes mit Verfassungsrang festgeschrieben ist. Wenn eine Organisation aber ein Monopol hat, etwa der einzige Sportverein am Ort ist, das einzige Stadion in der Stadt oder den einzigen Großflughafen betreibt, dann greift auch gegenüber Privatleuten die Drittbindung der Grundrechte.
Erst recht gilt dies, wenn staatliche Behörden wie die Ministerien die Organisation ihrer Aufgaben an Private delegieren. Der Staat etwa könnte sich nicht auf Art. 9 GG berufen. Ein mögliches Ergebnis des Rechtsstreits wäre es gewesen, dass der Staat künftig nicht mehr mit der BPK zusammenarbeiten darf, wenn sie willkürlich den Zugang zur Bundespressekonferenz ausschließt. Oder wir hätten vor dem Verwaltungsgericht darauf klagen können, dass die Gäste der BPK in gleicher Besetzung auch Herrn Warweg zur Verfügung stehen.
Das Landgericht Berlin sah kein Monopol, das zur Mitgliedschaft berechtigt, aber verwies darauf, dass die BPK ja ausländische Journalisten, die keine Mitglieder sind, Gaststatus zubilligt. Ein Verein mit einem derart exklusiven Angebot darf seine Tür vor Gästen nicht willkürlich verschließen. Jetzt hat die BPK einen Gast mehr.
Ihr Mandant konnte sich erstinstanzlich vor allem durchsetzen, weil die Gegenseite schwach argumentierte. Das kann sich ja noch ändern.
Markus Kompa: Nein, wer in der ersten Instanz nicht liefert, ist in der Berufung mit neuem Vorbringen ausgeschlossen. Die BPK tischte für den Ausschluss lauter frei erfundene Pseudo-Begründungen auf, behauptete etwa, Herr Warweg falle unangenehm durch aktivistisches Verhalten auf und nerve durch Missbrauch der BPK als Bühne für die eigene Selbstinszenierung.
Immer wieder wurde auf einen Herrn Boris Reitschuster verwiesen, der quasi als Volkstribun provoziert habe. Die BPK konnte ihre Behauptung seltsamerweise aber nicht beweisen, obwohl praktische alle Sitzungen von Tilo Jung aufgezeichnet und ins Netz gestellt wurden.
In der Berufung kann die BPK also nur noch damit argumentieren, dass das Urteil Warweg zu viel an Pressefreiheit zuspräche. Wenn ein Verein, der zum Zwecke der Pressefreiheit gegründet wurde, gegen Pressefreiheit argumentiert, ist das Realsatire vom Allerfeinsten.
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